Stille Momente perfekten Glücks

„Oh wie ist das schön, oh wie ist das schön..“ wäre deplatziert, liegt ein historisches 1-5 doch gerade erst einmal vier Tage zurück. Aber Barcas Auftritt war schon das Sahnestückchen der bisherigen Saison. Wäre da nicht der legendäre Bayerndusel, die Partie wäre wohl 8-0 ausgegangen. Und die tragischen Fälle Lell und Rensing zeigen, wie sehr alles falsch läuft bei den Bayern. Unter Hitzfeld war Lell ein hoffnungsvolles, wenn auch mäßig begabtes Eigengewächs. Trainingsfleißig wie Dieter Eilts und bescheiden wie Rudi Völler hätte er vielleicht ein solider Rechtsverteidiger werden können, so gut wie Arne Friedrich, unauffällig und unverzichtbar. Unter Klinsmann wurde durch die Verpflichtung des sympathischen Jahrhunderttalents Maximo-Otto Lells Karriere bei den Bayern auf sehr ruppige Art offiziell für beendet erklärt. Wer dem behäbigen Italiener mit seinen unsäglichen Flanken aus dem Halbfeld weichen muss, sollte lieber Tischtennis spielen oder Sportsocken verkaufen.  Lell heute ins Offensivspiel von Messi laufen zu lassen, hatte etwas von Menschenopfer. Ja, Lahm war verletzt und Lucio auch und van Buyten erhielt aus guten Gründen Dispens. Aber wo war eigentlich der für links unlängst erst verpflichtete Marcell Jansen? Auch keine Granate im Defensivbereich, aber wenigstens läuferisch hätte er Messi nahe kommen können. Und beinahe jeder, der in der Bundesliga hinten links spielt, hat taktisch mehr drauf als Lell in dieser Position. Hätte man da nicht wie die Gladbacher in der Winterpause noch jemand holen müssen? Wahrscheinlich schafft Klinsmann es nicht, sechs gleichwertige Ersatzspieler ins Team zu integrieren und bei Laune zu halten. Deshalb tauchte im Camp Nou der Name Badstuber im Bayernkader auf.

Nehmen wir an, die Bayern hätten mit dem neuen Trainer und dem neuen Konzept diese Saison als Jahr des Übergangs ausgerufen. Dann hätte der junge Rensing bei seinem Weg in die größten Fußstapfen, die die Liga 2008 zu bieten hatte, in Ruhe aufgebaut werden können, so wie Adler in Leverkusen. Aber Rensing erst wie Hoeneß zum einzig ernsthaften Anwärter auf die Nachfolge von Lehmann auszurufen, ihn wie Klinsmann immer mit der Formel „Er wird die Zeit bekommen, die er braucht“ in Sicherheit zu wiegen, und ihn dann kurz vor dem Spiel des Jahres kaltschnäuzig abzuservieren, das ist planlose  seelische Grausamkeit. Es ist dieses ewige Hüh und Hott, dieses Weltklasse sein wollen und über Nacht Nachwuchs aus dem Hut zaubern müssen, das nicht funktionieren kann. Guerrero weg. Kroos weg. Schlaudraff  weg. Podolski in tiefster Melancholie. Schweinsteiger in der Stagnation. Und der schon erwähnte Janssen blüht unter Jol in der Rückrunde auf, wird jeden Tag ein bißchen besser. So wie Aogo, Pitroipa, Guerrero. Vermutlich kommt im neuen Jahr Enke. Und Rensing wird der Kompagnon von Lell. Nachwuchsarbeit 2010.

Die Bayern haben es geschafft, in den letzten Jahren zwei der drei besten deutschen Trainer (Schaaf wäre ebenso wenig kompatibel wie Frings) zu vergraulen. Hitzfeld ist gegangen, weil ihm Kim Il McRummenigge vorgerechnet hat, dass Fußball keine Mathematik ist. Magath ist gegangen, weil er die geballte Fußballkompetenz an der Säbener Straße nur mit geballter Faust in der Tasche ertragen konnte, und weil er ein wenig von dem vielen schönen Festgeld gerne in neue Spieler investiert hätte.

Wenn es jetzt ausgerechnet dem seriösen, geduldigen Funkel und dem Chancengleichheitsverfechter Bruchhagen und der verletzungsgeplagten Eintracht gelänge, den Bayern auch noch den Zahn in der Meisterschaft zu ziehen, könnte man von einer perfekten Woche sprechen. Aber in der Allianz-Arena sind die Bayern ja eine nicht nur von den eigenen Fans gefürchtete Heimmannschaft.

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