Frühlingserwachen im Breisgau

Ich bin kein Sportclub-Fan. Dem SC Freiburg verdankt der Club zwei seiner bittersten Abstiege, und das Anhimmeln des Brilli-Trainers Finke (heute autoritärer Sack in Köln) und des ganz anderen Vereins (St. Pauli mit Abitur) war mir in den Neunzigern zu pflichtbewusst und berechenbar. Trotzdem wäre es schön, wenn Freiburg die Kurve noch kriegen würde in dieser Saison. In der Nachwuchsarbeit sind sie an der Dreisam mittlerweile führend in der Liga. Wenn man Trainer Streich über Fußball und seine jungen Spieler sprechen hört, klingt diese Begeisterung gepaart mich fachlicher Kompetenz ein bißchen wie Weisweiler. Dass es gegen die Bayern zu einem Punkt gereicht hat, ist in jeder Hinsicht erfreulich, demnächst wird es auch wieder Siege für den Sportclub geben. Das Derby in Stuttgart böte einen würdigen Rahmen. Anders als bei Gladbach in der letzten Saison sind es nur acht Tore bis zur Relegation und zwei Punkte zur Rettung.

In der unteren Tabellenhälfte hat am Wochenende als einzige Mannschaft der Nürnberg gewonnen. Es ist schön zu sehen, wie sie trotz aller Unzulänglichkeiten die Gegner schlagen, die sie schlagen müssen und langsam als Mannschaft wachsen. Jetzt wird es Zeit, eine Schippe drauf zu legen und auch mal gegen ein Team aus dem oberen Drittel zu punkten und den einen oder anderen Überraschungscoup zu landen. Die nächsten Gegner heißen Bremen, Gladbach und Mainz. Pinola wird sehnlichst erwartet.

Pekhart hat mit einem phantastischen Kopfball das Siegtor gegen  Köln erzielt, ein Tor so ähnlich wie Kloses 1-1 gegen Argentinien 2006. Ich kenn niemand in der Liga außer vielleicht Huntelaar, der so klug köpfen kann wie Pekhart. An dem wird der Club noch viel Freude haben.

Dieser Kopfball an einem torreichen Wochenende wirft die Frage auf, was ein schönes Tor ausmacht. Dass Reus‘ Schlenzer gegen Neuer zum Tor des Monats gewählt wurde, hat viel mit Sympathie und weniger mit Ästhetik zu tun. Ich finde Tore schön, die dem Charakter als Mannschaftssport gerecht werden, die den Raum mit ins Spiel bringen. Also eher Mintals 1-1 im Pokalendspiel gegen Stuttgart als Kristiansens 3-2. Rein ästhetisch jetzt, nicht sportlich und nicht emotional. Auf welt.de gibt es eine Kompilation der vermeintlich 100 schönsten Tore des Jahres 2011 mit der üblichen Weitschußdominanz in solchen Kompilationen. Kopfbälle haben Seltenheitswert. Gerd Müller hat mit einem Flugkopfball gegen Banik Ostrau mal das Tor des Jahres gemacht, aber das ist schon eine Weile her. Und Uwe Spies, Breisgau-Brasilianer im Ruhestand, hat überhaupt nie geköpft.

Das vorgezogene Grauen

Halloween ist ja erst heute, aber am Samstag habe ich gefeiert und dekoriert und während ich so versonnen an meinen Kürbislaternen herumschnitzte gaben sich ab halb vier die Ausgeburten der Hölle ein Stelldichein in meiner Bundesligakonferenz. 1-0 durch Zombie Gomez, 2-0 Schweinsteiger, 3-0 Ribery und dann nochmal Zombie Gomez mit dem 4-0. Mittendrin im munteren Treiben die Nürnberger Hintermannschaft, vogelwild wie eine us-amerikanische Kleinstadt in einem Roman von Stephen King. Es ist nur ein schwacher Trost, dass Freiburg, der HSV und Hertha noch böser vermöbelt wurden, dort in der Hölle des Nordens, in Fröttmaning. Ungefähr acht Mannschaften liegen hinter den Bayern in Lauerstellung. Lasst uns die Hoffnung nicht aufgeben. Doch still, ich höre eine Kettensäge. Es wird doch nicht Kim Il McRummenigge sein, der ein Motivatonsseminar gibt. – – – Aaaaiiieeerrrgh.

Heute Abend 23.40 Uhr. Bela B. im Gespräch mit George Romero auf Arte.

Happy Halloween.

Le dernier Mimikry

Von der Natur lernt der Mensch die perfekte Anpassung an seine Umwelt. Einen glanzvollen Moment geradezu pantheistischer Einswerdung erlebte der geneigte Zuschauer am gestrigen Tage, als der Linienrichter im Spiel Köln gegen Nürnberg sich im gelben Trikot vor der gelben  Werbebande der gelben Deutschen Postbank nahezu gänzlich unsichtbar machte. Zu sehen war nur noch ein schwebender Kopf, nicht nur die Werbebande war gelb. Auch sieben gelbe Karten gab es, von denen sich zwei zu einer gelb-roten gegen den Nürnberger Pekhart summierten. Schiedsrichter Weiner ließ sich nicht lumpen und legte noch eine rote für den Kölner Brecko drauf.

Nürnberg hätte eigentlich nach 60 Minuten 4-1 führen müssen. Danach gab es noch ein paar Mal reichlich Gewurtschtel im Nürnberger Strafraum. Ein Schiri mit Heimkomplex hätte da vielleicht auch Elfmeter für Köln gegeben. Weiner tat es nicht, pfiff stattdessen zwei berechtigte Elfmeter für Nürnberg in der ersten Halbzeit. Mit Nervenstärke, Laufbereitschaft, ihrer formidablen Innenverteidung und bereits dem dritten Torwart im fünften Saisonspiel brachte der Club den Sieg verdient nach Hause. Jetzt wartet mit den wiedererstarkten Bremern ein richtiger Brocken.

Neben dem kicker-Managerspiel bin ich diesmal auch beim Tippspiel von Radio Eins dabei. Dabei werden die Tipps gewichtet, das heißt, für den richtigen Außenseitertipp kann man bis zu dreißig Punkte bekommen, so wie ich für den 2-1 von Hertha in Dortmund. Richtige Tendenz, richtiger Torabstand, richtiges Ergebnis. Für das 2-1 von Nürnberg in Köln bekam ich nur 14 Punkte, was eine Menge über die Entwicklung in Nürnberg aussagt. Mit diesem Auwärtssieg hätte ich vor fünf Jahren die Bank von Radio Eins gesprengt. Der Zeremonienmeister für den Fußball heißt bei Radio Eins Andreas Ulrich. Er kündigte den fünften Spieltag damit an, dass sich alle auf Mario Götze freuen dürften, obwohl der juvenile Delinquent in Leverkusen gerade vom Platz geflogen war. Das las sich dann irgendwie schon wie eine schlechte Gebrauxchstextkonserve. Geradezu frevlerischer Götzedienst. Ulrich belegt im Ranking im Moment etwa Platz 5000. Wenn er in Zukunft immer weiß, wer spielberechtigt ist, wird er schon allein dadurch 1000 Plätze gut machen.

Götze wurde natürlich Opfer eines Justizirrtums, denn wie Wachhund Watzke wußte: Das hat der noch nie gemacht. Das ultimative Entlastungsargument bei jedem Strafprozeß. Das hat mein Mandant noch nie gemacht. Womit es keine Ersttäter mehr gibt, dafür jede Menge Serientäter. Schwarz-gelb vor Neid steht der Deutsche Meister nur auf Platz elf und wird sich nicht lange grämen dürfen, denn die Champions League wartet schon. Gut möglich, dass auch die Borussia wie früher Wolfsburg und Bremen in der CL so richtig durchgewalkt werden. You’re never walked alone.

Mittlerweile habe ich das Manuskript meines neuen Kriminalromans abgeschlossen. Kleine Biester erscheint im November 2011 bei Rotbuch, die Premierenlesung ist am 11.11. um 20 Uhr in der Buchhandlung Otherland in Berlin-Kreuzberg. Da Mainz gegen Stuttgart spielt, an diesem Abend schlicht konkurrenzlos. Die gute Nachricht lautet, dass ich jetzt wieder vermehrt bloggen werde, die schlechte, dass ich pausenlos auf dieses Buch hinweisen und auch vor Praktiken versteckter Werbe*kleinebiester*Botschaften nicht zurückschrecken werde.