Relegation verloren – die Fans für sich gewonnen

Dreimal hat Nürnberg in dieser Saison gegen einen Bundesligisten gespielt, dreimal haben sie kein eigenes Tor erzielt, dreimal waren sie nicht in der Lage, ihr Spiel aufzuziehen. Gegen Hertha im Pokal-Achtelfinale war die Mannschaft chancenlos, in Frankfurt hatte sie Glück, im Rückspiel zu Hause in der Relegation hätte sie liefern müssen, also offensiver, gestaltender spielen müssen. Die Frage ist, ob die Spieler das nach dieser Saison noch konnten. Der dritte Platz ist angesichts der Konkurrenz in der Liga und den internen Konfilkten im ersten Teil der Hinrunde ein großartiges Ergebnis, aber dieser Erfolg gelang nur mit vielen Energieleistungen. Das brachte glückliche Momente wie den Sieg im Derby gegen Fürth und großartige Aufholjagden wie die gegen Leipzig, kostete aber auch sehr viel, zu viel Kraft. Gegen St. Pauli war ich im Stadion und es gab einige Szenen, die nahe legten, dass die Mannschaft völlig erschöpft war. Niemand hatte Lust, die Ecken auszuführen, es gab keinen schnellen Antritt mehr in der Offensive, beim Schlußpfiff ließen sich drei oder vier Club-Spieler auf den Rasen fallen. Das mag zum Teil an der Hitze gelegen haben, aber auch in den beiden Relegationsspielen wirkten vor allem die Offensivspieler fahrig und leisteten sich technische Fehler, die vermuten lassen, dass die Kraft fehlte, die erforderlich ist, um konzentriert zu ein.

Muss man deswegen jetzt traurig sein? Der eigentliche Erfolg dieser Saison ist nicht Platz Drei, sondern dass es den Spielern und Verantwortlichen gelungen ist, die Fans wieder zu begeistern, sich die Glaubwürdigkeit zurückzuholen. Schon vor dem Abstieg 2014 und eigentlich die ganze Saison 2014/15 in der Zweiten Liga, war die Stimmung desinteressiert bis frostig. Die saumselige und halbherzige Art und Weise, wie der Abstieg nicht vermieden wurde in diesem Schneckenrecken, bei dem ein einziger Sieg gereicht hätte, war schmerzlich. Aus der Riege der damals abgegebenen Spieler gibt es nicht einen, den ich beim Club vermisse. Das ist jetzt anders, mittlerweile gibt es eine spielerische Grundidee von Trainer Weiler und einige tolle Leute, an erster Stelle Burgstaller, aber auch Bulthuis, Erras und Behrens. Wer von denen jetzt bleibt, wird man sehen müssen. Allerdings schützt auch ein Erfolgserlebnis nicht vor dem Ausverkauf, wie man bei Darmstadt 98 sehen kann. Vielleicht ist ja der eine oder andere schlau genug, zu begreifen, dass eine Schlüsselrolle in einer funktionierenden Mannschaft mehr wert ist als ein gut bezahltes Jahr auf der Bank oder die Saison bei einem finanziell besser aufgestellten Verein, der die sportlichen Ziele meilenweit verfehlt. Die nächste Zweitligasaison wird keinen Deut leichter werden, aber die Mannschaft und der Verein sind an dieser Saison gewachsen.

Game of Trainerstühlchen – Die fünfte Staffel

Was bisher geschah.

Im Reich des Südens: Nachdem Dynastiebegründer Ulus der Untersetzte beim Orakel von Abgabenordnung Buße für vergangene Sünden tun muss, ist sein Thron reichlich verwaist. Seine Diadochen haben nichts zu lochen außer Steuerbelege, als der Schamane des Königshauses, Müwo der Pumperlgsunde, aus heiterem Himmel freiwillig in die Verbannung geht. Er will sich nicht den Zorn des Übungsleiters Peperoni des Affenscharfen zuzuziehen, der glaubt, Müwo der Pumperlgsunde habe die Sprunggelenke vom besten Pferd im Stall behext. Doch auch Peperoni der Affenscharfe sollte sich nicht zu sicher fühlen, denn Haushofmeister Kim Il Mac R, bekannt und beliebt durch die Moderation unzähliger Bankette, sägt schon an seinem Klappstuhl.

Im Reich des Westens:  Der äußerst erfolgreiche Übungsleiter Kloppo Trump  geht nach sieben Jahren freiwillig in die Verbannung, um dort kalten Hackfleisch- und Nierenpudding zu essen. König Aki der Altbierverächter, läßt die Krokodile im Wassergraben seiner Burg Iduna mit einer Extraportion Currywürsten füttern, weil ihm die Tränen ausgegangen sind. Kleinkreutz, der Hofnarr, fällt durch den Schmerz über Kloppos Abgang in geistige Umnachtung und trainiert fortan Außenristpässe. Doch seht, ein fahrender Ritter, in feinstes Tuchel gehüllt, kann vielleicht Abhilfe bringen.

Im Reich des Nordens: Die letzten 13 Übungsleiter wurden alle in die Verbannung geschickt, jetzt hat Uva Seela, die greise Seherin auf Schloß Volkspark, Nummer 14 eine glückliche Zukunft prophezeit. Völlig überraschend wird der juvenil wirkende Barde Bruno La Balladia unter verhaltenem Jubel auf den Schleudersitz gehievt. Sein Vertrag gilt auch für die Unterwelt, weil er weder Hölle, Tod noch Pauli, den kleinen Maulwurf fürchtet. Um seine Mannen nervlich zu entspannen, läßt sie La Balladia als erstes „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ anstimmen. Leider stellt sich die Viererkette im Tenor als eine empfindliche Schwachstelle heraus, was die Götter unfroh stimmt.

Es zeichnen sich unvorstellbare Verwicklungen ab.

Eine Runde Armageddon für Alle

Der Schang, Jean Löring, der langjährige Präsident von Fortuna Köln, hat 1999 einmal seinen Trainer Toni Schumacher in der Halbzeitpause entlassen, als seine Fortuna gegen Waldhof 0-2 zurücklag. Abgesehen davon, dass jeder Jeck anders ist, sind solche Schnellschüsse eher selten. Warum in aller Welt also denkt man in Nürnberg über eine Entlassung von Trainer Ismaël nach, während die erste Halbzeit (der Saison) noch läuft, obwohl das Saisonziel noch erreichbar ist und die Mannschaft sich spürbar weiterentwickelt?

Sicher, Nürnberg steht nach 13 Spieltagen mit 14 Punkten auf Platz 14 und hat nach St. Pauli die schlechteste Abwehr. Aber welche realistischen Erwartungen durfte man an den Club haben für den 14. Spieltag? Welchen Tabellenplatz und welche Bilanz müsste er jetzt vorweisen, damit es keine Trainerdiskussion gibt? Im Moment hat er sieben Punkte Rückstand auf Platz 3. In der Vorsaison stand der spätere Aufsteiger Paderborn am 13. Spieltag auf Platz sieben und hatte fünf Punkte Rückstand auf Platz 2. Die Bild-Zeitung wetzt schon freudig die Messer und behauptet, dieser Rauswurf ziehe sich „wie Kaugummi“. Wann hätte man den Trainer dann entlassen sollen? Nach dem 1-5 gegen Fürth am zweiten Spieltag? Das wäre das richtige Signal für den langen Atem beim notwendigen Neuaufbau. Oder vielleicht besser nach dem 0-3 gegen Heidenheim am siebten Spieltag? Danach folgten die sieben Punkte gegen Kaiserslautern, Bochum und Leipzig. Dann vielleicht nach dem Unentschieden gegen St. Pauli, bei dem die Mannschaft zweimal zurückkam, obwohl sie krass benachteiligt wurde?

Sage jetzt keiner, Skripnik hat mit Werder auch schon dreimal gewonnen. Skripnik hat eine Mannschaft vorgefunden, die über zwei Jahre zusammengestellt wurde und ihre Leistung nicht abrufen konnte. Der Club muss erst einmal eine neue Mannschaft aufbauen, bevor man über deren (nicht abgerufenes) Leistungsniveau Aussagen treffen kann. Daran und nur daran sollte man die Arbeit des Trainers messen. Nicht am Tabellenstand und nicht am einen oder anderen verhunzten Spiel: Wirklich indiskutabel waren bisher drei Spiele: das 0-1 zuhause gegen den FSV Frankfurt, sowie die beiden 0-3 in Karlsruhe und Heidenheim. Das 1-5 in Fürth und das 0-2 zuhause gegen Düsseldorf fing man sich gegen zwei eingespielte Aufsteigsanwärter ein, gegen Darmstadt und Sandhausen war man gut im Spiel und scheiterte an der Unerfahrenheit. Und die muss wachsen, die bringt auch ein neuer Trainer nicht Ready-to-Play nicht einfach mit.

Ismaël macht sehr viel richtig: Er hat Rakovsky zur Nummer Eins gemacht, anders als in der Abstiegssaison, als der Club an seiner Ideenarmut im Offensivbereich scheiterte, erspielt sich diese Mannschaft ständig Chancen und hat statt eines Kreativspielers im Schmollwinkel (Kiyotake)  mit Schöpf, Candeias, Sylvestr und Füllkrug gleich vier davon in der Offensive. Ähnlich wie Schmidt bei Leverkusen besteht der Coach darauf, dass der Club immer, egal bei welchem Spielstand, das Spiel machen soll. Das wurde gegen Bochum und St. Pauli belohnt, gegen Sandhausen und Darmstadt nicht. Das langatmige Ballgeschiebe, das das letzte Drittel der Vorsaison bestimmte und auch unter Hecking viel zu oft praktiziert wurde, ist unerwünscht. Und nach vorne läuft das Bällchen immer wieder richtig gut. Wer Kaiserslautern eine Stunde lang aus dem Stadion spielt, hat ohne weiteres das Potenzial, rechtzeitig noch in das Aufstiegsrennen einzugreifen. Natürlich muss die Abwehrleistung besser werden, gerade das Siegtor von Sandhausen war ein Beitrag aus dem Katalog für Slapstickeinlagen. Immerhin aber hat man auch schon drei Mal zu Null gespielt, einmal gegen den Millionensturm von RB Leipzig. Auch in diesem Spiel bot der Club eine Leistung, die das Ziel sofortiger Wiederaufstieg als realistisch erscheinen läßt.

Es gibt genug Beispiele dafür, dass Geduld sich lohnt: der zunächst auf ganzer Linie gescheiterte Hjulmand in Mainz, Stöger in Köln, Korkut in Hannover, alle Jahre wieder Streich in Freiburg, nicht zuletzt auch der Duracell-Guru von Lüdenscheid. Umso mehr gilt das, wenn ein neuer Trainer mit einer komplett neuen Mannschaft arbeiten muss. Einen derart radikalen Umbruch wie beim Club hat es nicht oft gegeben. Dieser Umbruch war vollkommen richtig. Bis auf Kyiotake (seit drei Spielen) bei Hannover, Mak bei Thessaloniki und mit Abstrichen Hasebe bei Eintracht Frankfurt und Angha bei 1860 München sind die abgegebenen Spieler meilenweit von ihren persönlichen Zielen und den Erwartungen ihrer Vereine entfernt: Nilsson wollte mit Kopenhagen in die Champions League, das in der Europa League gerade 0-4 zuhause gegen Brügge verlor und in der Gruppe auf Platz 3 steht. Plattenhardt (zu Hertha), Chandler (zu Frankfurt), Feulner (zu Augsburg) wollten einen Stammplatz bei einem Bundesligisten und sind außen vor, Drmic ist bei Leverkusen ungefähr so wertvoll wie Schieber bei Dortmund, Ginczek steht nach seinem Kreuzbandriss nach wie vor ohne einzige Minute da, Stuttgart ist Letzter. Pekhart (bei Ingolstadt) wurde in sieben Spielen sechs Mal frühestens in der 64. Minute eingewechselt und ist bisher torlos. Mike Frantz schlägt sich gut in Freiburg, das ist der einzige Spieler aus dem alten Kader, den Bader nicht hätte verkaufen dürfen.  Aber der große Umbruch zu Saisonbeginn war genau richtig, auch wenn Bader dafür anhaltend verbale Prügel bezieht.

Es wäre ein Jammer, ein richtungsweisender Fehlgriff, wenn der Verein jetzt Ismaël feuert. Es wäre die vierte Neuausrichtung in weniger als zwei Jahren, seit Heckings Abgang Weihnachten 2012. Der Club nähert sich damit wieder seinen finstersten Zeiten an und äfft den HSV nach, der seit 2007 elf verschiedene Trainer hatte. Der Verein wird dadurch nicht attraktiver für Trainer, die das besitzen, was jeder haben will: ein Konzept und eine eigene Handschrift. Gegen Kaiserslautern hat Ismaël beim Stand von 3-2 in der 78. Minute seinen designierten Abwehrchef Hovland eingewechselt. Der Norweger absolvierte damit seine ersten zwölf Saisonminuten, und der Club brachte das Ding nach Hause. Das hat Stil, das ist Klasse, da ist mutiges Coaching belohnt worden. Gegen Sandhausen hat Ismaël dafür bezahlt, dass er Pinola eine neue Chance gegeben hat. Pino ist Kult, Fußballgott und Pokalsieger, aber seine Fehler in Serie haben den Club am Freitag um einen Punktgewinn gebracht. Aber dass Ismaël seinen Spielern vertraut, auch einem alten Haudegen, das war groß. Ismaël ist bereit, ins Risiko zu gehen und er denkt sich etwas dabei. Obwohl er in Wolfsburg ganz andere Möglichkeiten gehabt hätte, hat er sich für den Club entschieden.  Der Club sollte mit Ismaël weiterarbeiten.  Nach dem Derby gegen Fürth am 20.12. wird der Rückstand auf Platz 3 geringer sein als heute. Danach ist alles drin.