Sternstündchen für Bayer

Während die wie immer fleißigen, aber planlosen Duracell-Häschen aus Lüdenscheid gestern verloren über den Rasen in Piräus irrten, bot Bayer Leverkusen gegen Valencia die ganze Palette einer aufregenden Champions-League-Partie. Dazu gehört auch die grottenschlechte Vorstellung in der ersten Halbzeit, wo man mit Leno und Glück ein 0-3 vermeiden konnte. Aber große Mannschaften und solche, die es werden wollen/können, sind auch in der Lage,  ein Spiel binnen vier Minuten durch zwei Traumtore zu drehen und dem Gegner danach keine richtige Chance mehr zu gestatten.

Nicht einmal vier Minuten nahm sich der Champions-League-Sender SAT 1 Zeit, um über das Spiel des einzigen siegreichen deutschen Teams des dritten Spieltag zu berichten. Um Bayer noch einmal deutlich zu zeigen, dass man viel lieber die populistischen Stümper in gelb-schwarz vorwärts und rückwärts breittritt, durfte Jörg Dahlmann seine Kernkompetenz im Labern unter Beweis stellen. Der zeigte sich auf der Höhe seiner Möglichkeiten und konnte es daher kaum fassen, dass Bender, Ballack und Rolfes in der Startelf standen. Ausnahmesweise zitiere ich diesen Blog vom 15. August des Jahres.

Und das Dauerthema Ballack wird bald keines mehr sein. Spätestens, wenn die CL-Saison beginnt, werden alle potenziellen Sechser zu ihrem Recht kommen, auch wenn der Skandalisierungsversuche kein Ende ist.

Ach ja, 45 Sekunden O-Töne packte SAT 1 noch oben drauf, Schürrle und Rolfes kamen zu Wort. Es gab Zeiten, da konnte Bayer kein Testspiel absolvieren, ohne dass man Ballack und Dutt vor die Kamera zerrte, damit sie gefälligst Stellung nähmen. Gestern war „Michael Ballast“ (Peter Ahrens, SPON) bester Feldspieler auf dem Platz und „der undurchsichtige Herr Dutt“ (Daniel Theweleit, völlig überraschend auch SPON) hatte seinen zweiten CL-Sieg in Folge eingefahren. Das interessiert nicht wirklich.

Außerdem freuen wir uns jetzt, den sympathischen Erfolgstrainer Jürgen Klopp im Studio begrüßen zu dürfen. Jürgen, wirst du dir bei einem 1-4 einen Vier-Tages-Bart stehen lassen, wenn ich mal so kritisch nachfragen darf?

Rein ins Getümmel

Vergangenen Sonntag, zum Abschluß des Rückrundenauftakts, gab es eine Neuheit zu besichtigen. Liga total bzw. die Deutsche Telekom hatte eingeladen, Fußball live in 3D zu erleben. Immer die beiden Sonntagsspiele werden in Zukunft in 3D gezeigt, für einschlägig tätige Blogger und sonstiges Fachpublikum, darunter Clubberer Bernd  Krippner von agolnaihaua und zwei Leute von Textilvergehen, gab es den Klassiker 1. FC Kaiserslautern gegen 1. FC Köln. Einschließlich dieser Begegnung trafen die beiden schon 78 mal in der Bundesliga aufeinander. 1991 holten sich die Roten Teufel mit einem grandiosen 6-2 in Köln mit Kalli Feldkamp die Meisterschaft.

Ort der Handlung beim Abstiegsduell war das Andel Hotel in der Landsberger Allee. Dass FC-Fans im Jahr 1235 Neukölln gegründet haben, um näher am zukünftigen Geburtsort von Litti-San und Icke Häßler zu sein, ist ja hinlänglich bekannt, insofern war es für die ein Katzensprung nach Lichtenberg. Die (nur?) zwei FCK-Fans im Publikum kamen wohl aus dem Westteil der Stadt, weil es von da nicht so weit in die Pfalz ist. Vom sechsten Stock hatte meinen einen herrlichen Blick auf die Trasse der Ringbahn und den Fernsehturm im Sonnenuntergang, auf der riesigen Terrasse standen noch immer die Deko-Rentiere und fühlten sich bei sechs Grad über Null sichtlich wohl.

Und dieses 3D? Es hat was. Als amuse-yeux gab es eine Hahnenkamm-Abfahrt, dann wurde es ernst auf dem Betzenberg. Die 3D-Übertragungen werden mit einem eigenen Set von Kameras übertragen und auch separat geschnitten. Die Kameras haben jeweils zwei Objektive und die Brille, die man einschalten muss, legt die beiden Bilder dann übereinander. Die Überblickseinstellungen, die Totalen unterscheiden sich vom herkömmlichen TV nur wenig. Aber sobald die Perspektive ebenerdig wird, verändert sich das Bild. Ob Einwürfe oder Ecken, alles was sich an den Seitenlinien abspielte, brachte einen mitten ins Geschehen, auch die Aufnahmen der Hintertorkamera waren angenehm geerdet. Man merkt plötzlich, wie unübersichtlich es in Strafräumen zugeht, wie schnell die Spieler reagieren müssen und wie wenig sie vom gesamten Spielfeld mitbekommen. Dauernd läuft jemand durchs Bild, es war – gerade bei diesem Kampfspiel mit den vielen Zweikämpfen – aufregend, sich quasi mitten unter den Spielern zu befinden. Die Bildregie experimentierte fleißig und in der zweiten Halbzeit hatten sie einen Rhythmus gefunden, bei dem die Kamera meistens auf Höhe der Grasnarbe blieb und bei langen Bällen und Passagen außerhalb des Strafraums mal kurz hochschaltete, um zu zeigen, wo man sich gerade befand. Ich sitze im Stadion (ja, ich sitze meistens) gerne im unteren Hälfte auf  Gegengerade, damit ich einen guten Überblick habe, doch beim Spiel Dortmund gegen Nürnberg am 15. Spieltag 1992/93 stand ich im Westfalenstadion das ganze Spiel über direkt hinter dem Tor vor der Gästetribüne. Der andere Strafraum war nur am Horizont zu sehen, aber als Eckstein in der ersten Halbzeit das 1-0 für den Club köpfte, sah ich das Weiße in seinen Augen. Knut Reinhardts  Gewaltschuß, der in der 89. Minute das 3-2 für den BVB bedeutete, schlug quasi über meinem Kopf ein. So ähnlich ist das auch in 3D. Und anders als in den lawinenartig hereinbrechenden 3D-Filmen kann man ein Fußballspiel nicht auf Effekte trimmen. Das Kopfballduell kommt oder kommt nicht, das Abstaubertor kann passieren, muss aber nicht.

Den Wischer von Lakic gegen Eichner sah auch in 3D völlig beknackt aus. Da auch versuchte Tätlichkeiten strafbar sind, fand ich Rot  völlig in Ordnung. Er spielt eine tolle Saison, aber hier war Lakic leider ein Depp. Rot für einen Roten Teufel auf dem Betzenberg, das muss man sich erst einmal trauen. Dass die Kölner viel stärker sein werden in der Rückrunde, deutete sich an, wurde mittlerweile durch das 3-0 gegen Bremen bestätigt. Als Podolski nachließ, kam Lautern auf (oder war es umgekehrt?). Jedenfalls verdiente sich der FCK den Punkt zurecht. Zuhause sind sie wie in alten Tagen zu allem fähig, und selbst, wenn Lakic geht, wird Kuntz einen anderen aus dem Hut zaubern.

Einziger Schwachpunkt war wie so oft Jörg Dahlmann. 90 Minuten haltloses Gelaber waren jenseits aller Schmerzgrenzen. Als er nach 80 Minuten von einem „richtig guten Spiel“ sprach, gab es höhnisches Gelächter im Publikum, das den Abstiegsfight bekommen hatte, den es erwartet hatte. Dahlmann behauptete auch, das Spiel sei so mitreißend, weil es in 3D übertragen würde. Nice try. Aber wenn er wirklich im Stadion saß, um sich das Spiel dort mit Brille anzusehen, dann muss er mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen sein.  Aber man kann 3D ja auch ohne Ton und hoffentlich für alle Zukunft ohne Dahlmann-Hologramm sehen, das neben einem auf dem Sofa sitzt und die Nüßchen wegfrißt. Nachdem mir Pay-TV im Moment nicht ins Haus kommt, um nicht die schäbigen Reste eines funktionierenden Soziallebens zu gefährden, werde ich auf die erste 3D-Kneipe warten müssen.

Herr Alef, wie stellen Sie sich die Hölle vor?

Ein WM-Endspiel Norwegen – Paraguay, Jörg Dahlmann kommentiert.

Aber mal ganz im Ernst. Die Norweger glänzen regelmäßig mit vollkommener Defensivdestruktion. Nur einmal, als sie verlieren hätten müssen, 1998 gegen Brasilien, haben sie gewonnen. Und damit Marokko rausgekegelt. Heute Abend also ein Testspiel, selten waren so viele Fragen so offen bei einer Fußball-Nationalmannschaft. Torwart? Langfristig tippe ich auf Neuer, Enke fehlen die internationalen Spiele mit dem Club, Adler flattert. Abwehr? Metzelders Zeit ist wohl vorbei, also bald ein Schalker Block mit Höwedes Westermann und Pander, ergänzt mit dem auch in der Krise soliden Mertescker? Mittelfeld? Die Zeit des Lutschers geht zu Ende, Jones und Hitzlsperger liegen defensiv vorne, was wird aus Schweini? Ohne Ribéry und Hamit konkurrenzlos, aber jetzt kommt ja Özil noch dazu. Auch fast ein Schalker. Sturm? Nur Klose ist gestzt, alle anderen, auch Poldi, müssen um ihre Plätze kämpfen. Wenigstens verspricht der Konkurrenzkampf, dass heute Abend nicht nur Larifari gespielt wird.