Saisonvorschau: Fröhliche Kellergeister – Augsburg, Hoffenheim, Berlin, Braunschweig

Man mag sich gar nicht vorstellen, wo Augsburg landen könnte, wenn sie einmal eine halbwegs ordentliche Hinrunde absolvieren würden. In der Rückrunde waren sie in der letzten Saison Siebter, einen Punkt hinter den Überfliegern aus Freiburg. In jedem Fall wird Augsburg wieder die Klasse halten, vermutlich unter weniger dramatischen Umständen als in den letzten beiden Jahren. Die Mannschaft ist extrem nervenstark, Reuter und Weinzierl wissen um ihre Möglichkeiten, alle lieben ihr Image als ewige Underdogs. Auch der Abgang von Oehrl und Langkamp sowie die Verletzung von Manninger ändern nichts daran. Urmel bleibt erstklassig.

Hoffenheim traue ich eine ähnliche Saison zu wie Gladbach nach der erfolgreichen Relegation gegen Bochum. Gisdol hat seinen Spielern die nötige Demut eingeimpft, um erfolgreich zu sein, und von Rudy über Firminho bis Volland und Vestergaard haben die Hoffenheimer zahlreiche überdurchschnittliche Einzelkönner in ihren Reihen. Hinzu kommt eine neue mannschaftliche Geschhlossenheit. Wer am letzten Spieltag in Dortmund gewinnen muss und das auch schafft, der hat das erfolgreiche Schlüsselerlebnis gehabt, um als Mannschaft auf ein anderes Level zu kommen. Seit Gisdol Trainer ist, hat das Klischee vom Retortenverein deutlich an Überzeugungskraft verloren. Er ist einer der expressivsten Vertreter der Trainerzunft, wer so jemanden an der Seitenlinie hat, kann nicht die Kopfgeburt eines Großsponsors sein.

Die Hertha ist wieder da. Diesmal als souveräner Zweitliga-Meister. Ob’s reicht für mehr als eine Saison? Babbel galt nach dem Aufstieg auch als Erfolgsgarant, dann kam der Streß mit Preetz, in der Rückrunde der Abstieg. Dass Luhukay nicht ohne weiteres der Aufstiegsmannschaft vertraut, sondern mit Ronny und Niemeyer gleich mal zwei Schlüsselspieler in Frage stellt, muss kein Fehler sein. Es zeigt auch, dass Preetz seine Hausaufgaben gemacht hat, und die vier Neuzugänge Baumjohann, van den Bergh, Hosogai und Langkamp nicht nur eine Menge Erstligaerfahrung mitbringen, sondern auch die Möglichkeiten für Luhukay erhöhen. Wenn Trainer und Manager sich nicht wieder in einen sinnlosen Prestigekampf verbeißen und die leicht erregbare Lokalpresse nicht gleich überdreht, sieht es nicht schlecht aus mit dem Klassenerhalt.

Braunschweig plagt das gleiche Problem wie die Fürther im letzten Jahr: Im Sturm haben sie zu wenig Durchschlagskraft. Auch die Rückkehr von Kumbela wird daran nichts ändern. Braunschweig hat anders als die Kleeblättler allerdings ein Heimpublikum, das für den einen oder anderen Sieg sorgen kann. Mit Fanatismus ist die Stimmung nur unzureichend umschrieben. In der Stadt Heinrich des Löwen hat man mehr nach der Bundesliga gelechzt als in Düsseldorf, Augsburg, Wolfsburg, Berlin und Cottbus zusammen, um mal ein paar Aufsteiger der letzten Jahre zu nennen. Trotz der psychologischen Unterstützung  von den Rängen wird es für Braunschweig nicht reichen. Aber wie für viele andere Traditionsvereine kann es dann nur heißen: Nach dem Abstiegskampf ist vor dem Aufstiegskampf.

Saisonvorschau: Rot-Grün will nach oben – Wolfsburg, Stuttgart, Mainz, Bremen

Mit Klaus Allofs und Dieter Hecking hat Wolfsburg eines der besten Manager-Trainer-Teams der Liga. Nach den Magath-Jahren mit wilden Transfers kreuz und quer über den Globus gibt es mit Arnold endlich mal einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, der in eine tragende Rolle hineinwachsen könnte. Ob das eine Ausnahme ist oder der erste Schritt zu einer langfristigen Jugendarbeit muss man sehen. Dabei hat der Verein immer noch genügend Geld, um mit den Bayern über Luiz Gustavo zu verhandeln. Diego, Olic, Naldo, Dost, das sind alles Spieler, die im letzten Jahr nicht annähernd ihre Möglichkeiten abgerufen haben.  Hecking hat eine klare Spielidee und in Wolfsburg für deren Umsetzung ganz andere Möglichkeiten als in Nürnberg oder Hannover. Mit Wolfsburg ist in jeder Hinsicht wieder zu rechnen, auch wenn sie den Coup von 2009  nicht wiederholen werden können. Die Wölfe werden sich verbessern, zwischen Platz 4 und 9 ist alles möglich.

Heimlich,still und leise geht der konsequente Umbau in Stuttgart voran. Neues Präsidium, neues Stadion, neue Spieler. Das Duo Bobic/Labbadia hat sich gefunden und arbeitet sehr zielstrebig und unaufgeregt weiter. Mit dieser Saison kommen neue Nachwuchsspieler (Rüdiger, Khedira II) in die erste Mannschaft, ebenso wie kluge Neuverpflichtungen (Schwaab, Rausch, Abdellaoue) und langzeitverletzte Rückkehrer (Cacau, Tasci). Mit Ulreich, Gentner und Ibisevic haben die Schwaben eine eingespielte Achse. Labbadia ist extrem ehrgeizig und hat sich den Respekt der Fans Stück für Stück erarbeitet. Auch der VfB hat gute Chancen, einige Plätze weiter oben zu landen als im Vorjahr. Daran wird auch eine mögliche Zusatzbelastung durch die Europa League nichts ändern.

Mainz hat mit Thomas Tuchels Entscheidung für Heinz Müller die wichtigste Baustelle im neuen Kader geklärt. Nicht nur deswegen werden die 05er wieder wesentlich unangenehmer zu spielen sein als in der letzten Halbserie, als man mit 16 Punkten nur den 15. Platz der Rückrundentabelle erreichte.  Bis auf Dortmund gibt es keine andere Mannschaft, die die Spielvorstellung des Trainers so verinnerlicht hat wie Mainz. Den Abgang von Szalai wird die Mannschaft durch ihre Geschlossenheit kompensieren und vielen Gegnern gehörig auf die Nerven gehen – nicht durch Beton, sondern spielerisch ausgereiftes Gegenpressing. Ein einstelliger Tabellenplatz ist drin.

Es gibt ja aufregendere Beschäftigungen, als sich Vorbereitungsspiele im Fernsehen anzusehen. Aber als ich vor ein paar Wochen Bremen gegen 1860 München (1-1) sah, war ich mir sicher, dass Bremen wieder tief unten drin stehen wird. Könnte sein, dass es diesmal nicht mehr reicht. Es war nicht nur die Art wie sie gegen die Bayerischen Löwen spielten (gibt jetzt ja auch wieder Löwen in Niedersachsen)  – zerfahren, nicht mal ansatzweise als Team, nach dem Auslgeich der Sechzger geradezu wurschtig bis auf Mielitz – die permanente Schönrednerei von Dutt und Eichin ist erstaunlich. Freiburg spielt auch mehr als durchwachsen im Moment, aber Streich ist zu einer realistischen Einschätzung in der Lage. In Bremen haben alle das Wort Aufbruch in den Mund genommen – und der Lackaffe vom Dienst, Arnautovic, hat Thomas Schaaf noch hinterher getreten. Dass er glaubt, mit seinen bisherigen Leistungen für Manchester United interessant zu sein, personifiziert des Bremer Dilemma. Jetzt war es im Pokal genau so mies und nichtssagend wie in den Jahren zuvor. Mich erinnert diese Saisonvorbereitung an den Katastrophenauftritt von Michael Skibbe zu Beginn der vorletzten Rückrunde bei Hertha, der seine Mannschaft so sehr lobte, dass er nach fünf Niederlagen in Serie wieder gehen durfte. Nach den jetzigen Eindrücken ist Bremen Abstiegskandidat Nummer Eins.

 

 

 

Saisonvorschau: Europa kann sehr kalt sein – Freiburg und Frankfurt

Eine meiner privaten Faustregeln lautet: Eine Mannschaft, die ihre drei wichtigsten Spieler verliert, steigt ab. Sie passte perfekt auf Hertha 2009 (Simunic, Pantelic, Voronin) und auf Nürnberg 2007 (Schäfer, Schroth, Polak), sowie beinahe auf Leverkusen 2002. Aber die verloren ja nur die zwei besten – Ballack und Ze Roberto – an die Bayern. Jetzt hat Freiburg Rosenthal, Flum, Kruse, Makiadi und Caligiuri, also die Hälfte seiner Feldspieler aus dem engeren Kader verloren und hat auch noch die Europa League an der Backe. Das läßt nichts Gutes erahnen, gäbe es da nicht Christian Streich, den Luis Trenker von der Dreisam. Was dem Trenker ein Berg, ist dem Streich ein Nachwuchsspieler. Berge, wenn sie sich  erst einmal aufgefältelt haben, wachsen nicht mehr nennenswert. Unter der kundigen Anleitung von Streich jedoch reifen und wachsen und entwickeln sich Spieler, die außerhalb Freiburgs keiner je gekannt hat, mit pfifferlingschen Wachstumsraten zu Nationalspielern und Leistungsträgern. Mit rollenden Augen teilt Streich die Begeisterung über seine Spieler und das Spiel mit, ebenso wie er verbale Watschen austeilt, wenn ihm Journalisten blöde Fragen stellen, also mehrmals täglich. Streich ist wie ein alter Blueser aus dem Mississippi-Delta, der den Glauben an die kleinen Terzen und Septimen noch nicht verloren hat, obwohl das Business um ihnm herum durchkommerzialisiert ist bis zum letzten Deoroller. Dieser Glaube, die Transferkünste des Managerduos Hartenbach und Saier und die Nervenstärke der Vereinsführung kann Berge versetzen. Freiburg hält die Klasse, wenn auch nicht im einstelligen Bereich. Das gallische Dorf des Weltfußballs bleibt erstklassig. Einen etwas muntereren Auftritt in der Europa League als die beiden völlig vermurkelten UEFA-Cup-Teilnahmen gibt es als Gutsel obendrauf.

Frankfurt hat sich Flum und Rosenthal von Freiburg gemopst und müsste jetzt rein rechnerisch locker an Freiburg vorbeiziehen. Das kann durchaus passieren, bedeutet aber lange noch nicht Platz fünf. Für Freiburg ist ein europäischer Wettbewerb ein schönes Zubrot – endlich mal was von der Welt sehen und vielleicht sogar mal in Metz spielen -, für Frankfurt entspricht die Europa League dem klammheimlichen eigenen Anspruch. Und dieser Anspruch kann lähmend und belastend sein, vor allem wenn man nach dem kniffligen Auftaktprogramm (Hertha – Bayern – braunschweig – Dortmund) nicht so glänzend dasteht wie  zu Beginn der letzten Saison. Die launische Diva und ihr launiger Trainer Veh sind von ihren Stimmungslagen abhängig. Wenn die Laune in den Keller geht, geht es auch in der Tabelle nach unten und umgekehrt. Letztes Jahr trug die Woge der Begeisterung durch die ganze Saison. Diesmal werden die Erfolge langsamer kommen, wenn sie denn kommen. Die Mannschaft hat alle Spieler behalten und die richtige Entscheidung getroffen, Bendtner nicht zu verpflichten, das sollte wenigstes eine Saison ohne Abstiegssorgen ermöglichen.