Die klugen Fische fressen die dummen

Sandhausen in Liga Zwei, Augsburg, Freiburg und Fürth ganz oben, Paderborn kommt vielleicht noch dazu. Man braucht keine großen Namen, keinen großen Etat und schon gar kein großes Ego, um oben mit dabei zu sein. Man braucht einen klaren Plan, Geduld und ein gutes Funktionsteam. Wer jetzt darüber jammert, dass die Liga durch die No-Names weniger attraktiv wird, der soll erklären, was an dem „Klassiker“ Hertha gegen Kaiserslautern vor einer Woche attraktiv war. Es war ein Grottenkick wie so viele andere auch, die die letzten Drei aus dem Oberhaus in dieser Saison gezeigt haben.Wobei man da noch differenzieren muss zwischen dem FCK, der mit Kuntz und Kurz in den Jahren davor tolle Arbeit geleistet hat und dann am Verletzungspech und den nur mittelprächtigen Transfers scheiterte, während in Köln und Berlin diverse Hofintrigen und Selbstüberschätzung an den Rand des Abgrunds führten.

Fürth hat im Pokal vor Millionenpublikum bewiesen, dass es gegen die Mannschaft mit dem attraktivsten Fußball in Deutschland spielerisch mithalten kann. Freiburg wird im kommenden Jahr das neue Gladbach und Augsburg bleibt das schwäbische Cottbus, ein Alptraum für jede Mannschaft, die nur spielerisch an die Sache rangeht. Wenn man sich so blöd anstellt wie die Verantwortlichen an Rhein und Spree, dann ist das Legendenfegefeuer Zweite Liga halt um ein paar Attraktionen reicher.

Sollte Paderborn tatsächlich aufsteigen, hätten lediglich die Aufsteiger aus der Dritten Liga, Aue, der FSV Frankfurt, Union und Ingolstadt keine Erstligaerfahrung. Das wird den Einschaltquoten am Montag Abend gut tun, aber von München, Düsseldorf und Duisburg kann man dann nur staunend und neidisch nach oben blicken und wieder mal den Vorschlag aufwärmen, dass Traditionsvereine bei der Geldvergabe bevorzugt werden müssten. Geld, das dringend benötigt wird, um geschassten Trainern oder Managern ihre horrenden Abfindungen zu bezahlen.

Die Arbeit am Mythos

In dieser Saison dürfte die Zweite Liga prominenter besetzt sein als die Bundesliga, was Mythologie und Historiographie angeht. Oben Augsburg, Hoffenheim, Hertha, Leverkusen, Wolfsburg, Freiburg und Mainz, eine Etage tiefer 1860 München, Dynamo Dresden, Eintracht Braunschweig, St. Pauli, Eintracht Frankfurt, Fortuna Düsseldorf und Union Berlin. Da kann man jetzt natürlich trefflich streiten, wessen Mythos mythischer ist. Der Eigenausbau der Alten Försterei oder die Breisgau-Brasilianer, der Kiez-Klub oder der Karnevalsverein, das Hackentor von Grafite oder Fußball 2000 mit Yeboah-Bein-Okocha, das Bundesligaspiel mit den meisten Zuschauern Hertha – Köln oder die Fans von Jägermeister Braunschweig. Der schönste Mythos kann nicht an gegen eine vogelwilde Vereinspolitik, wie die Sechzger seit Jahren ein ums andere Mal zeigen. Aus den Talenten, die sie deshalb abgeben mussten, könnte man eine EM-taugliche Nationalmannschaft bauen. Umgekehrt kann man sich fragen: Was wäre die Bundesliga ohne Ulf Kirsten, die Tore des Jahres von Bernd Schuster, Reiner Calmund und den großen Ze? Ohne Haching am letzten Spieltag? Die Werkself hat zwar nicht die Aura einer Südtribüne oder eines Betzenbergs, aber wer will bestreiten, dass Vizekusen in der Hall of Fame, Shame and Game sich seinen Platz längst redlich verdient hat?

Der Osten rockt

Rostock aufgestiegen, Chemnitz aufgestiegen, Aue fast aufgestiegen, Cottbus fast aufgestiegen (und im Pokal-Halbfinale), Erfurt fast aufgestiegen, Union nicht abgestiegen, Babelsberg sportlich nicht abgestiegen, Neuling Rasenball Leipzig auf Platz vier in der Regionalliga, Magdeburg dortselbst nicht abgestiegen und das Sahnehäubchen gab’s am Dienstag, als Dynamo Dresden in Osnabrück erst in die Verlängerung und dann in die Zweite Liga stürmte. Schahin schießt schwarz-gelb ins Glück, und das ist kein Schreibfehler. Das zweite Spiel gegen Osnabrück war richtig geil. Ein KO-Spiel, wie es sein soll, bis auf die Brandsätze auf der Tribüne. Kein einziger Ostverein aus den Ligen zwei bis vier ist abgestiegen.

Bin sehr gespannt, wie das weitergeht. Man darf die Freiburger, Hannoveraner, Nürnberger und Dortmunder für ihren Spar- und Jugendstil gerne loben, aber heimlich still und leise haben die in den neunziger Jahren auch durch eigene Unbedarftheit so arg gebeutelten Vereine aus dem Beitrittsgebiet eine Menge dazu gelernt. In Dresden sind Calmund und Kirsten mit vollem Herzen dabei, in Rostock hat Beinlich binnen eines Jahres Perspektiven entwickelt und Hansa kann wieder aus seiner hervorragenden Jugendarbeit schöpfen. Union hat sich wieder einmal durchgebissen und will/wird sich gezielt weiterentwickeln. Alle drei Vereine haben neue Stadien. Mittlerweile gibt es in Liga Zwei fünf Ostvereine, alle haben das Zeug zum Aufstieg, Hansa oder Dynamo traue ich auch einen Durchmarsch zu. Chosebuz und die anderen treffen auf die großen Namen längst vergangener Zeit, die Münchner Löwen, die Fortuna aus Düsseldorf, den Frankfurter Adler, die Fürther, Eintracht Braunschweig, den Meidericher SV und naürlich St. Pauli. Zugegeben, es wird einige heikle Spiele mehr in der Zweiten Liga geben, aber die Fans werden nicht so blöd sein, mit dem Arsch einzureißen, was sie mit ihren schönen Gesängen erreicht haben. Fortsetzung folgt.

PS: Ich bin so froh, dass Favre und die Gladbacher das noch gewuppt haben. Möge der Kelch Effenberg an den Borussen und allen anderen Mannschaften des deutschen Profifußballs vorüber gehen. Vielleicht kann der Papiertiger ja zusammen mit Lothar Matthäus Tonga auf einen zweistelligen Platz in der FIFA-Weltrangliste hieven, es wäre eine „reizvolle Aufgabe“ und eine „große Herausforderung“. Gladbachs nächste Saison wird so werden wie die abgelaufene beim Club. Passenden Trainer gefunden (Favre/Hecking), Relegation gewonnen (Bochum/Augsburg), wichtigsten Spieler gehalten (Reus/Pinola) und ab geht die Luzie.